Kolumne: Vom Glücklichsein

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Strömender Regen prasselt gegen mein Fenster. Die Nacht ist dunkel wie der Arsch eines schwarzen Ziegenbocks und genauso attraktiv. Ich bleibe also im Trockenen, lege die Füße auf meinen PC (eine schlechte Angewohnheit aus Jugendtagen) und lasse den Whisky in meinem Glas kreisen. Dabei starre ich gebannt auf meinen Bildschirm und beobachte, wie sich auf einem bisher leeren „Blatt“ recht wenig tut. Mit dem Schreiben ist das immer so eine Sache. Manchmal geht es einem von der Hand wie das Geld am Anfang des Monats, manchmal ist es mühselig wie der letzte Atemzug. Heute stehe ich irgendwo dazwischen. Der Whisky sollte helfen, ist aber ebenfalls etwas zurückhaltend.

Man könnte meinen, dass ich etwas in Panik bin: schließlich ist morgen Heftabgabe und mehrere Artikel warten darauf, verfasst oder zumindest mit dem letzten Schliff versehen zu werden. Und es ist weiß Gott nicht so, dass man stets im Rausch der Worte schwebt und Satz um Satz danieder legt, um nach der Trance auf ein fertiges Produkt zu blicken. Nein. Es ist eher wie ein Holzklotz, aus dem man langsam das fertige Werk herausmeißeln muss, Spahn um Spahn. Dabei haut man sich auch schonmal auf den Daumen oder bekommt einen Splitter ins Auge. Wie das eben so ist. Aber letztlich hat man dann sein Endprodukt und ist froh, es geschafft zu haben. Manchmal ist es einfach eine runde Kugel, die eben rollt und unauffällig ihre Funktion verrichtet, manchmal ist es aber auch ein Vogel, der fliegen gelernt hat und der einen Funken Hoffnung zum Himmel trägt.

Seht ihr? Der Whisky wirkt schon und diese Stelle würde in der letzten Nachbearbeitung ohne Zweifel, ohne Wenn und Aber, rausfliegen. Wer will schon so einen gefühlsduseligen Quatsch lesen? Aber viele Schreiberlinge, insbesondere von selbsterklärten Fachmagazinen, verwechseln oft Ausschweifung mit Wortgewalt, Kitsch mit Emotion. Falls ihr also mal wieder von „aggressiven Gummikrallen, die sich mit fuchsteufelswilder Gewalt in den lustvoll seufzenden Boden krallen“ lest – seid euch sicher, dass da jemand am Werk ist, der lieber Klatsch und Tratsch für die vier Großen Buchstaben am Sonntag schreiben sollte, statt sich über Fahrräder auszulassen.

Ich möchte mich aber auch gar nicht in Kritik ergehen, sondern nur eins feststellen: Schreiben ist Glück. Es ist die unkomplizierteste Art, etwas nach eigenem Denken zu erschaffen. Seien es einfache Satzkulissen oder bombastische Wortkathedralen – es ist ein Schöpfungsakt, der eine eigene Welt kreiert, die nur dem Autor gehört. Natürlich nur so lange, bis er sie dem Leser anvertraut, der sich, hoffentlich, darin verlieren kann und in vollen Zügen das genießt, was der Autor sich aus den Finger gesogen hat.

Das, meine lieben Freunde, ist Glück. Etwas zu erschaffen, ganz wie man es sich vorstellt. Etwas eigenes, das atmet und lebt, das einem etwas zurück gibt. Und kommt mir jetzt nicht mit Kindern – Kinder saugen am Leben ihrer Eltern, bis diese alt und grau sind und die nächste Generation die Bildfläche an sich reißt! Nein, Worte sind weitaus gnädiger, selbstloser und spendabler als Menschen. Sie verlangen nichts außer ihre reine Existenz und geben uns dafür Träume, Abenteuer, Verlangen – oder Fachkenntnis, ganz nach Genre.

Inzwischen habe ich schon ein paar Zeilen zusammen und muss mir Whisky nachschütten. Der Regen macht das Drinnen-Sitzen immer so herrlich gemütlich, dass man sich in die zwielichtige Düsternis schmiegen möchte, wie in eine schwere Decke. Während der Whisky mit seinen Krallen meine Kehle hinunterfährt, tanzen vor meinen Augen die Worte und ich spüre, was Glück ist.

Fy.

2 Gedanken zu „Kolumne: Vom Glücklichsein

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