Episode III – #dkdf oder: Über Alltagsaggressionen

Seit ich selbstständig bin, bin ich auch, aus eigenem Wunsch, normaler (Kranken-)Kassenpatient. Die Wahl mag dem ein oder anderem wirr erscheinen, die Vorteile einer Privatversicherung nullen sich aber spätestens dann, wenn man im Alter monatlich vierstellige Beträge dafür aufbringen muss, überhaupt zum Arzt gehen zu können. Ich weiß natürlich nicht, wie unser Gesundheitssystem in 30 Jahren aussehen wird (katastrophal, würde ich mal sagen), aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Privatversicherung noch teurer wird, ist ungefähr so wahrscheinlich wie dass wir alle mal das Zeitliche segnen müssen. Für mich persönlich bedeutet das aber, dass ich vom Anrufen-und-Vorbeikommen zum Anrufen-und-drei-Wochen-später-in-die-offene-Sprechstunde-Kommen gewechselt bin. Zumindest teilweise. Und es bedeutet, dass ich mich mit den Höllenhunden der Arzthelferinnen beschäftigen muss. Dazu eine kleine Anekdote.

Unser Protagonist, ein etwa mittelmäßig aussehender junger Mann, gehüllt in eine Aura von Missmutigkeit aufgrund der Fraktur seines linken Handgelenks, betritt die Praxis seines Hausarztes. Vorangegangen war, nach dem zur Fraktur führenden Sturz, eine Email-Konversation mit dem Inhaber, a.k.a. Arzt, dieser Praxis. Es war ein ungemütlicher, kalter Dienstag im Februar und die Tatsache, dass vorgenannter Protagonist die Praxistür nur mit beiden Händen öffnen konnte, trug nicht gerade zu seiner guten Laune bei. Er pirschte sich also an die Rezeption an, an den weißen Styx, auf dem der unerbittliche Fährmann auf seine gebrechliche Fracht wartete. Es war, entgegen der Hoffnung unseres Freundes, nicht die etwas betagte, aber durchaus gewitzte ältere Ausgabe dieses Wächters, sondern eine jüngere Version von fraglicher Attraktivität – man hätte ihre Haut als Reflektor benutzen können und Thor’s Hammer als Schmuck ist, zumindest meiner Ansicht nach, in etwa so kleidsam wie ein Stacheldraht-Tattoo. 

Unser Protagonist tritt also vor diese Wächterin und sagt seinen Satz auf: „Guten Morgen. Ich hatte mit Herrn Doktor Sowieso gesprochen; ich habe Schmerzen im Handgelenk und solle noch mal her kommen, wenn das so bleibt. Hier bin ich.“ Der Versuch, sich in Zirkusmanier mit zwei ausgestreckten Armen und schief lächelnd zu präsentieren, verfehlt seine Wirkung kolossal. Die Wächterin schaut nur kritisch und bellt den Wunsch nach der Versichertenkarte heraus. Selbige wird ausgehändigt, das Pfand unserer Gesundheit. Nach der Prüfung – ich bin mir nicht ganz sicher, was da geprüft werden muss: Kreditwürdigkeit, Kassenzugehörigkeit, berechnetes Sterbedatum oder vergangene als hypochondrisch zu betrachtende Besuche – schaut die Wächterin auf und sagt nur: „Heute ist nichts mehr frei. Ab zwölf ist offene Sprechstunde.“ Mit einem nach Endgültigkeit klingenden Klatschen haut sie die Versichertenkarte auf den Tresen.

Unser Protagonist ist, wie bereits erwähnt, in nicht allerbester körperlicher Verfassung und trägt ein Nervenkleid, dass bereits Fransen zieht und so durchscheinend ist, dass er darunter auf jeden Fall Unterwäsche tragen sollte. Er versucht sein Glück trotzdem: „Würden Sie bitte einmal kurz bei ihm anrufen? Er sagte ja, dass ich vorbei kommen sollte.“ Die Dame in Weiß zuckt nur mit den Schultern. „Wie gesagt, es ist nichts frei.“ 

Das ist der Punkt, an dem das Gespräch ins Fatale abgleiten könnte. Ein falscher Satz und beide Parteien würden sich kreischend und beissend an der Gurgel hängen, bis nur noch Polizei und Feuerwehr sie trennen könnten, ein recht unangenehmer Ausblick für einen noch nicht ganz begonnen Tag. Mit schier unmenschlicher Geduld aktiviert unser Protagonist also seine letzten Reserven und wiederholt seinen Wunsch: „Bitte rufen Sie bei Herrn Doktor Sowieso an, er weiß, dass ich komme und ich brauche auch nicht viel seiner Zeit – wahrscheinlich nur eine Überweisung. Ansonsten“, schiebt er mit unterschwelliger Drohung nach, „gehe ich auch gerne die fünf Meter zu seinem Sprechzimmer und frage selbst.“

Die Dame scheint die delikate Situation bewerten zu wollen, wählt dann aber trotzdem ihr bewährtes Schulterzucken (dafür muss es auf der Berufsschule eine eigene Klasse geben!) und dann die Nummer des Sprechzimmers. Mit zuckersüßer Stimme säuselt sie den Sachverhalt in den Hörer, wartet, legt auf und schaut dann auf. „Nehmen Sie Platz, der Doktor holt sie ab.“ Dann schaut sie auf ihre Tastatur, als läge dort die Antwort auf die Frage verborgen, warum sie mit der Last aller Menschen auf ihren schmalen, weißen Schultern leben muss. Wenig später kommt besagter Doktor, spricht sein Urteil und sorgt dafür, dass unser Protagonist bald wieder aufs Rad kommt. So, wie es sein sollte.

Was ich mit dieser Anekdote veranschaulichen will: Die alltägliche Interaktion mit anderen Menschen ist nichts, was man auf die leichte Schulter nehmen sollte. Es ist ein zimmerwährendes Spiel voller Abwägungen und Machtspielchen. Wären wir alle nett und clever (eine Kombination, die der Kreation des Steins der Weise gleichkommt), würden wir uns einfach darauf einigen, dass jeder von uns seine Meinungen, Bedürfnisse und gefestigten Attribute hat und eine Diskussion darüber völlig sinnfrei ist. Sie wollen hier einparken? Ich auch. Aber sie waren früher da, also nicke ich kurz und fahre weiter. Sie wollen einen Termin? Ich arbeite hier nur und habe keinen Doktortitel, also werde ich einfach nur das aufnehmen, was sie mir sagen und mir überlegen, wie ich sie bestmöglich unter bekomme. Denn das ist mein Job. Ein fremder Mensch postet einen Kommentar auf Facebook, der mir nicht gefällt? Entweder, ich weise ihn freundlich auf eine rationale Verirrung hin oder nehme es einfach als das an, was es ist, nämlich seine Meinung, und, im ärgsten Falle, blockiere ihn einfach.

#dkdf steht für „Du kannst dich ficken“, einer anderen Herangehensweise an das Problem, die vielleicht etwas objektiver mit den Eigenheiten der Menschen umgeht. Mit anderen Worten: Du bist nett? Ich bin nett? Du bist ein kleines Miststück? Du kannst dich ficken. Man sollte diese Karte sehr sorgsam und nur dann ausspielen, wenn man sich sicher ist, das Kontra ertragen, abwenden und abschmettern zu können. Denn diese Alltagsaggressionen ziehen eine Verkettung der Umstände nach sich, die mit einfacher Antipathie beginnen und mit einer Schießerei auf einer vielbefahrenen Kreuzung enden.

An dieser Stelle soll auch gesagt sein, dass ich nichts, rein gar nichts, gegen Arzthelferinnen habe. Sie haben einen wichtigen Job der Selektion, den ich so auch voll und ganz akzeptiere. Aber nur, weil man eine bestimmte Funktion hat, muss man sich in dieser ja nicht als Miststück erweisen, oder? Damit landet man nämlich unter Garantie bei #dkdf…

Bis später also, euer

Fy

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